Landwirte und Winzer arbeiten seit jeher in engem Kontakt mit der Natur und all ihren Launen. Vor vielen Jahrzehnten, als es weder Wettersatelliten noch meteorologische Messstationen gab, gestalteten sich Vorhersagen jedoch schwierig. Nicht leicht war es da für die Winzer, sich auf die Saison vorzubereiten. Mit Bauernregeln versuchten sie, mehr Planungssicherheit zu schaffen. Doch sind diese Regeln auch heute noch aussagekräftig?
Inhaltsverzeichnis
Wie entstanden Bauernregeln?
Wer den Lauf der Jahreszeiten kennt, weiß um jene Wetterphänomene, welche recht regelmäßig auftauchen. Spätfrost etwa. Oder auch Sturmphasen im Herbst. Auf Erfahrungen und Beobachtungen solcher Phänomene basierten bereits die frühen Bauernregeln. Das Fundament also war überliefertes Wissen, das sich in Reimform schlicht leichter merken ließ.
Das Problem mit Bauernregeln jedoch ist: Sie eignen sich im besten Fall für die Abbildung einer Wahrscheinlichkeit, jedoch nicht für konkrete Vorhersagen. Selbst Regeln, die in vielen Jahren zutreffende Prognosen ermöglichen, versagen in anderen. Das ist nicht ungewöhnlich, denn ohne Messstationen und computergestützte Meteorologie stößt Erfahrungswissen an seine Grenzen.
Einfache Regeln für eine komplexe Welt?
Die Frage, welche Bauernregeln Winzern heute als guter Leitfaden dienen, lässt sich pauschal kaum beantworten. Das liegt vor allem daran, dass die Weinregionen Deutschlands viele verschiedene Mikroklimata aufweisen und geografisch weit voneinander entfernt sind.
So ist es durchaus möglich, dass eine Regel zwar öfter auf den Süden der Weinregion Baden zutrifft, an der Ahr jedoch eine falsche Prognose liefert. Ähnlich gilt dies beispielsweise für die Bauernregel „Das Wetter am Siebenschläfertag noch sieben Wochen bleiben mag.“ Diese Regel bewahrheitet sich in Alpenregionen tendenziell häufiger, während sie in nördlicheren Gefilden seltener korrekte Prognosen liefert.
Eine weitere Bauernregel, die bis heute einen Funken Wahrheit beweist: „Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist.“ Mit „Sophie“ gemeint ist hier Sophia von Rom, die bis heute für einen Tag der Eisheiligen im Mai steht. Wenngleich Nachtfröste im Mai selten vorkommen, beobachten Winzer in Höhenlagen oder Tälern bisweilen doch noch deutliche Kaltluftansammlungen. Mancher Winzer entspannt sich daher wirklich erst, wenn die Eisheiligen vorüber sind.
Letztlich jedoch ist die Welt des Wetters weit komplizierter, als es Bauernregeln suggerieren. Regionale Unterschiede, der Klimawandel und sein Einfluss auf den Weinbau sowie die Kalenderreform aus dem 16. Jahrhundert sorgen dafür, dass manch alter Spruch nicht mehr ist als das.
Kurzfristige Vorhersagen und Bauernregeln passen gut zusammen
Grundsätzlich gilt: Je länger der Zeitraum ist, den eine Bauernregel abdeckt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für ihre Bestätigung. Dies gilt etwa für: „Ist der Januar hell und weiß, wird der Sommer sicher heiß“ oder auch für: „Bringt der August viel Gewitter, wird der Winter kalt und bitter“. Die moderne Meteorologie konnte viele solcher in Regeln aufgestellte Zusammenhänge nicht bestätigen.
Was jedoch sehr gut funktioniert, sind einige Bauernregeln, die auf eher kurzfristige Wetterverhältnisse hinweisen oder einer Logik abseits des Zufalls unterliegen. So steckt ein wahrer Kern in den Bauernregeln:
„Wenn kalt und nass der Juni war, verdirbt er das ganze Jahr.“
und „Mairegen bringt Segen.“
Beide Regeln erweisen sich auch im Weinbau als durchaus richtig. Erhalten Reben im Mai ausreichend Wasser, ist das eine gute Basis für die kommende Vegetationsperiode. Ein kalter und nasser Juni jedoch ist für Winzer oft kein Grund zur Freude, denn zu dieser Zeit blühen die Rebstöcke und profitieren von warmem, nicht zu niederschlagsreichem Wetter.
Weitere, kurzfristig geltende Regeln, die bis heute als recht solide Wegweiser dienen können, sind etwa: „Morgenrot, schlecht Wetter droht“ und „Abendrot, schön Wetterbot“. Diese sind jedoch für den Winzer und seine Jahresplanung kaum von Wert.
Auch das Verhalten der Tiere in den Weinbergen liefert wertvolle Informationen, welche sich jedoch ebenfalls zur kurzfristigen Nutzung eignen. „Entfernen sich die Bienen nicht weit von der Beute, erwarten Schlechtwetter Land und Leute“ ist eine solche Regel und auch: „Kommen aus Norden die Vögel an, will die Kälte uns schon nah’n“ zeigt, wie bedeutsam es in frühen Zeiten für Landwirte und Winzer war, die Geschehnisse in der Natur eingehend zu beobachten.
Fazit: Viel Weinbergsromantik, wenig Vorhersagekraft
Keine Frage: Manche Bauernregel bleibt bis heute ein guter Begleiter für Winzer und Landwirte. Vielen der historischen Reime jedoch fehlt eine wissenschaftliche Grundlage, sodass sie allenfalls als stimmungsvolle Erinnerungsstücke dienen.
Auf Kissen gestickt und in Rahmen verewigt transportieren die alten Regeln eine Romantik, wie wir sie heute noch in den alten Traditionshäusern und naturnahen Gütern finden. Wenngleich Bauernregeln also kaum bei der Wettervorhersage helfen, bewahren sie doch den alten Charme der Genusskultur. Und das wiederum ist nicht zu unterschätzen, wenn es um authentischen Genuss geht.
Wein entdeckte sie während ihrer Ausbildung zur Restaurantfachfrau für sich. Danach bildete sie sich weiter und arbeitete auf Weingütern in Europa und Übersee. Im stationären Handel kaufte und verkaufte sie viele Jahre Wein, sie moderierte Seminare und beriet Kunden. Die Sommelière liebt Weine, die anregen, gegen den braven Geschmack bürsten und für Gesprächsstoff sorgen.