Weinflaschen in Regal

Das deutsche Weingesetz verändert sich: Qualität neu geordnet

Qualität bei deutschem Wein war bislang vor allem eine Frage des Mostgewichtes. Gemessen in Oechslegraden bewährte sich das Lesegut, oder scheiterte an den Vorgaben einer Qualitätsstufe. Nun ändert sich das. Das Bundeslandwirtschaftsministerium öffnet sich dem romanischen Prinzip und somit einer geografisch geprägten Struktur. Was das für den Genießer bedeutet:

Warum eine neue Qualitätsstruktur?

Das System der Qualitätsstufen in Deutschland unterscheidet sich maßgeblich von jenen Systemen, welche in anderen europäischen Ländern gelten. Dies macht es für den deutschen Wein nicht ganz einfach, sich Märkte außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu erschließen. Mit dem neuen System geht das Bundeslandwirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Gesetzgeber einen Weg, der Erfolg mit sich bringen soll.

Doch nicht nur ein größerer Marktanteil steckt hinter der Änderung. Darüber hinaus versprechen sich die Verantwortlichen, durch eine Neuerung

• deutschen Winzern weitere Perspektiven zu bieten,
• die Wertschöpfung zu verbessern,
• deutschen Wein wettbewerbsfähig zu machen
• und den Konsumenten zu leichterer Orientierung zu verhelfen.

großer Weinberg mit Rebstöcken

Das Weingesetz im Wandel der Zeit

Das deutsche Weingesetz ist bereits einige Jahre alt. 1969 erstmals verfasst, 1971 überarbeitet und 1994 in neue Form gebracht, prägte es die Weinkultur der Bundesrepublik lange. 2009 dann löste die EU-Weinmarktverordnung das Gesetz ab.

Bis sich am deutschen Markt und in der Politik etwas tat, vergingen jedoch Jahre. Erst 2020 begannen die Verantwortlichen, über Anpassungen und Schritte zu sprechen, die den deutschen Wein auf das Jahr 2026 vorbereiten. 2026 nämlich wird der erste Jahrgang nach dem Ende einer Übergangsfrist zwischen altem und neuem Gesetz sein.

2021 verabschiedet: Das neue deutsche Weingesetz

Das sogenannte „Zehnte Gesetz zur Änderung des Weingesetzes“ trat am 27. Januar 2021 in Kraft. Am 7. Mai dann folgte eine veränderte Weinverordnung, welche zunächst im Bundesgesetzblatt zu sehen war. Die hierin enthaltenen Regeln gelten ab 2026 und orientieren sich stark an den Systemen der anderen EU-Länder.

Herkunft statt Reife

Mit dem neuen Weingesetz und der neuen Weinverordnung verändert sich der Blick auf die Qualität deutscher Weine deutlich. Ab dem Jahrgang 2026 zählt nicht mehr das Mostgewicht des Lesegutes, sondern dessen Herkunft. Neu ist das für den Genießer indes vermutlich nicht. Herkunft als Qualitätsmerkmal ist sowohl in Italien als auch Frankreich und Spanien längst etabliert.

Was die Klassifikation betrifft, so zieht die neue Verordnung immer engere Kreise. Je kleiner die Herkunft eines Weines eingrenzbar ist, desto höher steigt er in der Qualitätspyramide auf. Dies unterstreicht den Fokus auf das Terroir, welches sich aus Klima, den Böden und dem Charakter der Lage zusammensetzt und Weinen ihre einzigartigen Profile verleiht.

Übrigens: Nicht alles ändert sich mit dem neuen Weingesetz. Auch nach 2025 bleiben Prädikatsstufen wie Trockenbeerenauslese und Kabinett in ihrer jetzigen Form bestehen.

Mehrere Korken auf Holzbrett

Die neuen Qualitätspyramiden

Die Qualität deutscher Weine beurteilt der Genießer ab 2026 mit der Hilfe zweier Pyramiden. Eine der beiden bezieht sich auf die allgemeine geografische Klasse eines Weins, die zweite wiederum klassifiziert die Weine innerhalb der ausgewählten geografischen Stufe noch einmal.

Die erste Pyramide: Herkunft

Die Basis der herkunftsbezogenen Qualitätspyramide ab 2026 bildet der „Deutsche Wein“. Er löst den bisher geltenden Tafelwein ab. Über dem Deutschen Wein steht in der neuen Pyramide der „Landwein mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A.)“. Die 26 g.g.A.-Regionen Deutschlands resultieren aus einer Freigabe seitens der EU und sind vergleichbar mit IGP- oder IGT-Weinen aus anderen europäischen Ländern.

Über dem Landwein g.g.A. steht ab 2026 der „Qualitäts- oder Prädikatswein mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.)“. Hier bilden die bereits bekannten 13 Qualitätsweinregionen Deutschlands die Grundlage. Der Wein mit g.U. auf dem Etikett entspricht in Bezug auf die Klassifikation dann beispielsweise einem DOC-Wein aus Spanien.

Die zweite Pyramide: Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung im Detail
Im zweiten Schritt hält die neue Weinverordnung das Vergrößerungsglas über die Stufe der Qualitäts- oder Prädikatsweine mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.). Diese finden eine erneute Einteilung in vier Stufen. Diese gliedern sich von unten nach oben:

• Wein aus Trauben, die dem ganzen Anbaugebiet entstammen
• Weine aus Trauben, die begrenzteren „Regionen“ entstammen
• Weine aus Trauben, die einem Ortsteil oder einer Gemeinde entstammen
• Weine aus Trauben, die einer Einzellage oder einem noch begrenzteren Gebiet entstammen.

An der Spitze dieser zweiten Pyramide ist es folglich möglich, auch Namen von Gewannen innerhalb einer Lage anzugeben und somit sehr deutlich ins Detail zu gehen.

Großes und Erstes Gewächs für alle geregelt

Die Lagenweine unterteilen sich nach der neuen Verordnung zum ersten Mal nach einem deutschlandweit einheitlichen System. Es handelt sich folglich um eine weitere Eingrenzung, die eine dritte Qualitätspyramide hervorbringt. Von unten nach oben gliedert sich der Lagenwein dann in:

• Einzellage
• Erstes Gewächs
• Großes Gewächs

Winzer mit dem Ziel, einen solchen Wein zu kreieren, müssen sich einem besonders strengen Regelwerk stellen. Im Allgemeinen gelten ab der Neuregelung sehr strenge Vorgaben für Lagenweine. Diese beinhalten beispielsweise zugelassene Rebsorten, sensorische Details, Jahrgang und Ertrag im Weinberg.

Eine ungewohnte Zeit steht an

Für Winzer bedeutet die neue Weinverordnung folglich etwas Arbeit und bringt sicherlich auch umfassende Veränderungen mit sich. Mancher Wein verliert seinen bisherigen Namen ab dem Jahrgang 2026 und gelangt mit einem neuen auf den Markt. Für den Genießer bedeutet dies ebenfalls eine Zeit der Umstellung und Gewöhnung.

Umso deutlicher ist die Bedeutung der individuellen Kaufentscheidung. Wenngleich sich das System sichtbar ändert, bleibt der Genuss der liebsten Weingüter weiterhin erfüllend. Für Weinkenner bleibt daher auch nach 2025 der persönliche Geschmack der beste Wegweiser. Wie sich die neuen Regeln auf den internationalen Erfolg auswirken werden, bleibt mit Spannung abzuwarten.

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