Schon seit über 8.000 Jahren kultivieren Menschen Weinreben. Um den Wein ranken sich deshalb besonders viele historische Erzählungen; er ist eng mit der Menschheitsgeschichte verknüpft. Dass nun ausgerechnet der Wein durch den Klimawandel gefährdet ist, ruft auch die Wissenschaft auf den Plan. Unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Lebert finden Forscher heraus, wie eine Weltraumreise die Eigenschaften von Reben verändert.
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Die Mission WISE geht essenziellen Fragen auf den Grund
Prof. Dr. Michael Lebert, der bei Space Cargo Unlimited als wissenschaftlicher Leiter arbeitet, ist außerdem an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg als Zellbiologe tätig. Bei Space Cargo Unlimited wiederum handelt es sich um ein Unternehmen, welches sich mit der Weltraumforschung beschäftigt. Die Mission WISE, an der Lebert beteiligt ist, verfolgt das Ziel, den Einfluss der Umgebung im Weltraum auf Reben und Wein näher zu erforschen.
Zu diesem Zweck schickten die Forscher in Kooperation mit dem Institut des Sciences de la Vigne et du Vin (ISVV) 320 Stecklinge der Sorten Merlot und Cabernet Sauvignon ins Weltall, genauer zur Internationalen Raumstation (ISS), wo sie rund 312 Tage verbrachten. Ebenfalls auf der ISS lagerten im Rahmen des Projekts zwölf Flaschen des berühmten Château Petrus, bevor sie nach 438 Tagen zurück auf die Erde gelangten. Die gesamte Zeit über erfuhren weder Stecklinge noch Wein besondere Pflege oder Aufmerksamkeit.
Nach der Rückkehr auf die Erde zeigte sich, dass kaum ein Steckling die lange Reise nicht überlebt hatte. Die Forscher pfropften die Holzabschnitte auf Reben auf, pflanzten sie sowohl in Erlangen als auch im Bordeaux ein und beobachteten, wie sie sich ab diesem Moment entwickelten. Der Wein, der auf der ISS lagerte, durchlief indes eine eingehende Verkostung. Außerdem versteigerten die Verantwortlichen eine Flasche für rund 830.000 Euro, die der weiteren Agrarforschung im Weltraum zuflossen.
Evolution durch Stress ist nicht neu
Der Gedanke hinter der Mission WISE ist, dass sich Lebewesen und auch Organismen wie Pflanzen in Stresssituationen an die neuen Bedingungen anpassen. Dieses Wissen ist nicht neu und sorgt bereits seit vielen Jahrzehnten für spannende Erkenntnisse. Frühe Vorfahren der heutigen Gentechnik setzten beispielsweise darauf, Pflanzen radioaktiver Strahlung auszusetzen, um gegebenenfalls vorteilhafte Mutationen zu erhalten.
Auch im Weltraum herrschen Bedingungen, die sich deutlich von jenen auf der Erde unterscheiden. Das wiederum erachten die Forscher als große Chance, denn während die Bedingungen auf der Erde kaum eine Weiterentwicklung der Pflanzen anstoßen, ist dies im Weltall durchaus der Fall. Weder kosmische Strahlung noch Schwerelosigkeit kannten die Stecklinge, bevor sie diese Reise antraten. Und selbst dieses Prinzip gibt es bereits. Vor allem in China beschäftigen sich Wissenschaftler seit einigen Jahren damit, Kulturpflanzen ins Weltall zu schicken und hieraus vorteilhaftere Varianten zu erhalten.
Was die Forscher in Bezug auf den Wein herausfanden
Auch die Mission WISE brachte den Forschern viele neue Erkenntnisse ein. So überraschten die Reben nicht zuletzt damit, sehr früh Früchte zu produzieren. Während gewöhnliche Reben dies normalerweise erst nach sechs oder sieben Jahren tun, benötigten die Weltraum-Varianten nur einen Bruchteil dieser Zeit.
Außerdem spannend ist die Tatsache, dass die Reben aus dem Weltall in vielerlei Hinsicht anders waren als jene, die nie im Weltraum waren. Von Vorteil für den Weinbau der Zukunft könnte beispielsweise sein, dass sich verbesserte Widerstandsfähigkeit gegen Falschen Mehltau gebildet hat. Vor allem der Merlot war dieser Pilzerkrankung bisher nahezu schutzlos ausgeliefert. Weitere sekundäre Pflanzenstoffe wie etwa Polyphenole und Abwehrstoffe bildeten sich vermehrt und beeinflussen den Charakter der Pflanzen möglicherweise ebenfalls positiv. Unter Umständen bieten die Weltraumreben deshalb auch eine verbesserte Resistenz gegenüber Schädlingen.
Ist Wein aus dem Weltall Zukunftsmusik?
Auch wenn der Château Petrus, der im Rahmen des Projekts Zeit auf der ISS verbrachte, durchaus als Wein aus dem Weltraum gilt, ist eines klar: von der Rebe bis zum fertigen Wein entsteht heute und auch auf absehbare Zeit kein Wein hoch über der Erde. Vielmehr dient die derzeitige Forschung der Frage, inwiefern durch den Aufenthalt im All getriggerte Veränderungen dem Weinbau auf der Erde zuträglich sind.
Da die Reben im Rahmen des Forschungsprojekts auch nach ihrer Rückkehr weitere Stressfaktoren wie Wassermangel und Hitze erdulden müssen, zeigt sich das Potenzial der Maßnahme im Angesicht des Klimawandels. Die Erkenntnisse der Mission sind daher bereits jetzt relevant für den Weinbau und seine Zukunft, auch wenn es sicher noch einige Jahre dauern wird, bis sich die Reben aus dem All bei Weingütern etablieren.
Wein entdeckte sie während ihrer Ausbildung zur Restaurantfachfrau für sich. Danach bildete sie sich weiter und arbeitete auf Weingütern in Europa und Übersee. Im stationären Handel kaufte und verkaufte sie viele Jahre Wein, sie moderierte Seminare und beriet Kunden. Die Sommelière liebt Weine, die anregen, gegen den braven Geschmack bürsten und für Gesprächsstoff sorgen.