Weingüter in aller Welt stehen einer stark veränderlichen und immer herausfordernderen Arbeitsumgebung gegenüber. Nicht nur erleben sie jährlich steigende Temperaturen. Auch steigt mit dem Klimawandel das Risiko für extreme Wetterereignisse wie Starkregen, Fluten, Frost und Stürme. Mehr Risiken denn je bedrohen die Tradition des Weinbaus, die tief in den Kulturen der Anbauländer wurzelt.
Was das langfristig bedeutet, wie Winzer mit der Lage umgehen und ob der Klimawandel auch Chancen bietet, zeigen wir hier.
Inhaltsverzeichnis
Stark veränderliches Klima als Ursache für existenzielle Fragen
Der Weinbau ist ein äußerst sensibler Wirtschaftszweig. Hier arbeiten Menschen dicht an der Natur und ebenso dicht an unkalkulierbaren Risiken. Durch den Klimawandel verschieben sich über die Jahre hinweg jene Breitengrade, in denen Weinbau buchstäblich Früchte trägt. Stand bislang fest, wo sich das Anlegen von Parzellen lohnt und welche Rebsorten in der jeweiligen Region am besten gelingen, eröffnet sich Winzern nun vermehrt unklares Terrain.
Regionen, die für bestimmte Weinsorten bekannt sind, erleben zunehmend erschwerte Bedingungen dabei, ihre üblichen Rebsorten zu kultivieren. Manche zweifeln längst daran, überhaupt noch Wein anbauen zu können. So produziert beispielsweise manches Weingut in Kalifornien inzwischen keinen Wein mehr, sondern Rosinen.
Und selbst wenn der Weinbau in warmen Regionen weiterläuft, verändert sich die Realität. Weinberge benötigen in einigen Regionen deutlich mehr Bewässerung, etablierte Rebsorten verändern sich geschmacklich und Erträge sinken aufgrund von Wetterereignissen mitunter dramatisch. Auch haben es Pilzkrankheiten aufgrund der immer milderen Winter vielerorts leichter als noch vor einigen Jahren.
Schlimmer als die Reblaus soll der Klimawandel für den Weinbau sein, mahnte Winzer Miguel Torres erst im vergangenen Jahr und zeigte damit auf, wie dramatisch die Lage ist.
Nicht nur Hitze ist ein Problem
Extreme Wetterereignisse gehören bereits seit Anbeginn der Zeit zur Lebensrealität des Menschen. Auch Winzer wissen, dass es niemals vollkommene Sicherheit gibt, den eigenen Weinberg ohne dramatische Verluste durch das Jahr zu bringen. Schmerzlich erfuhren dies auch die Winzer an der Ahr, deren Existenz aufgrund der Jahrhundertflut 2021 über Nacht bedroht wurde. Mit den verheerenden Bränden in Australien und Kalifornien setzt sich die Liste der möglichen Katastrophen fort.
Nicht jedes Einzelereignis ist dabei zwingend eine direkte Folge des Klimawandels. Fest steht jedoch, dass der Klimawandel die Häufigkeit dieser Katastrophen und Extreme erhöht.
In Frankreich und weiteren Weinregionen Mitteleuropas ist auch Frost ein machtvoller Gegenspieler. Nach einem milden Winter bilden Rebstöcke sehr früh Knospen aus. Diese wiederum sind äußerst empfindlich und kaum widerstandsfähig gegen Frost. In manchem Jahr schlägt dann der Frühjahrsfrost zu und droht, den Bestand deutlich zu dezimieren. Winzer zünden in solchen Jahren Heuballen und Kerzen zwischen den Rebzeilen an. Alles in der Hoffnung, ihre Ernte nicht zu verlieren. Verluste von bis zu dreißig Prozent sind dabei nicht selten.
Winzer verlieren aufgrund des Klimawandels langfristige Planungssicherheit
Noch vor einigen Jahren war es Winzern in den Weinregionen der Welt möglich, die persönliche Strategie über einen längeren Zeitraum hinweg zu planen. Auch das Vorbereiten der Weinberge im Hinblick auf das folgende Jahr erforderte zwar viel Wissen, ließ sich jedoch gut bewerkstelligen.
Durch den Klimawandel und die global steigenden Durchschnittstemperaturen entsteht eine große Unsicherheit. Das Wetter zeigt sich immer unberechenbarer und erschwert die Arbeit aufgrund seiner unbeständigen Natur. Ungewöhnlicher Frost, Waldbrände und außergewöhnliche Stürme passen nicht mehr zu den typischen Mustern einer Region. Kaum ein Winzer weiß mehr, welche Hürden im nächsten oder übernächsten Jahr auftauchen. Für Existenzgrundlage und Lebensunterhalt ist das mehr als nur problematisch.
Steigende Temperaturen sorgen dafür, dass Früchte an den Rebstöcken deutlich schneller reifen. Für Winzer ist es unverzichtbar, ihre Gewächse akribisch im Blick zu behalten. Eine Vorausplanung des Lesezeitpunktes ist auch aufgrund des unbeständigen Wetters kaum mehr möglich. Durch die zügige und frühere Reife vieler Rebsorten im Zuge des Klimawandels entsteht ein weiteres Risiko: Weinbeeren verfügen über eine sehr feine Schale. Diese platzt im überreifen Zustand schnell auf. Lesen Winzer die Früchte nicht rechtzeitig, steigt das Risiko für Pilzbefall, Fäulnis und Ertragsausfälle.
Die schnellere Entwicklung der Trauben bringt außerdem ein weiteres Problem mit sich: Die etablierten Rebsorten einer Region haben nun weniger Zeit, den gewünschten Charakter auszubilden. Aromastoffe, Tannin und auch Farbstoffe zeigen sich dann unter Umständen nicht mehr so, wie es Winzer und Genießer erwarten. Auch stört der Klimawandel die sensible Balance von Zucker, Alkohol und Säure.
Produzenten reagieren schon längst auf den Klimawandel
Was Winzer bereits tun, um die negativen Folgen des Klimawandels zu mildern oder zu vermeiden, ist umfangreich. Neu angelegte Weinberge und veränderte Rebsortenprofile gelten als möglicherweise existenzsichernde Schlüssel.
Winzer suchen größere Höhen auf
Weniger stark macht sich der Klimawandel derzeit noch in großer Höhe bemerkbar. Inzwischen erschließen Winzer daher Lagen, welche früher als ungeeignet für den Weinbau galten. Auch die spanische Winzerfamilie Torres besitzt nun in den Pyrenäen Weinberge – in einer Höhe von 3.000 bis 4.000 Metern. Die Vorteile großer Höhe in Bezug auf den Klimawandel sind
- kürzere Hitzephasen
- kühlere Nächte
- größere Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht
Hier ist es folglich weiterhin möglich, die gewohnte Finesse zu gewinnen, die nur langsam herangereifte Früchte bieten.
Neue Rebsorten ziehen in die Weinberge
Gelingt es Winzern nicht mehr, ihre etablierten Rebsorten mit zufriedenstellendem Ergebnis zu kultivieren, ist die Kultivierung neuer Rebsorten ein denkbarer Schritt. Nicht einfach jedoch ist das für Winzer, welche in fest definierten Weinregionen arbeiten und einer geringen Auswahl offiziell zugelassener Rebsorten unterliegen.
Doch auch die offiziellen Stellen sind sich des Problems bewusst und eröffnen Lösungswege. So ließen die Behörden in der französischen Region Bordeaux sieben weitere Rebsorten zu, welche nun experimentell auf ihre qualitative Eignung geprüft werden. Hierunter Touriga Nacional, Arinarnoa, Albariño und Petit Manseng.
Ob diese Rebsorten den hohen Qualitätsanspruch der Region werden sichern können, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass sich Winzer mit der Verschiebung des Klimas in den Breitengraden zunehmend Gedanken darüber machen, etablierte Sorten zu verabschieden und neue Weinberge anzulegen. Was nach einer echten Perspektive klingt, ist für all jene, in deren Bestand Reben besonderen Alters stehen, dramatisch.
Bietet der Klimawandel auch Chancen für den Weinbau?
Die Frage, ob negative Entwicklungen auch positive Effekte haben, ist schwierig. Keineswegs das Ziel der folgenden Aufzählung ist es, den Klimawandel zu verharmlosen oder gar zu glorifizieren.
Im Gegenteil: Für den Weinbau und für zahllose Winzer weltweit stellt der Wandel eine Katastrophe dar, deren Ausmaß heute noch nicht vollständig absehbar ist. Aspekte, die dabei als weniger negativ gelten, sind:
Der Klimawandel eröffnet neue Anbaugebiete
Schon in den neunziger Jahren entdeckten Winzer in einigen Regionen Anzeichen eines tiefgreifenden Wandels. Wärmere Durchschnittstemperaturen und weniger Niederschlag beispielsweise stellen in heißen Anbaugebieten ein Problem dar. An Orten, die bislang als zu kalt und feucht für den Weinbau galten, entstehen nun Chancen.
Ein Paradebeispiel hierfür ist England. Genießer erhalten heute erstklassigen Schaumwein von jenseits des Ärmelkanals, wo noch vor einigen Jahren keine besondere Qualität erwartbar war. In den USA gehören Bundesstaaten wie Oregon und Michigan zu den Gewinnern. Ihre Rebflächen vergrößerten sich im Zuge der klimatischen Veränderungen. Auch in:
- Dänemark
- Norddeutschland
- Belgien
- Schweden
- Kanada
- und Norwegen
gibt es heute Weinberge. Hier gedeihen meist Rebsorten, welche in kühleren Regionen gelingen. Dies sind teilweise klassische Weißweinreben wie Riesling, teilweise aber auch spezielle Hybridreben.
Qualitätssprünge dank veränderter Temperaturen
Eine spannende Chance, die sich Winzern in einigen Anbaugebieten durch den Klimawandel eröffnet und eröffnet hat, ist steigende Qualität. So gibt es einige Regionen, in denen Weingüter sich vergleichsweise selten über außergewöhnlich hochklassige Jahrgänge freuten. Oft war das Wetter nicht ausreichend gut, um Ausnahmeweine zu ermöglichen.
Die steigenden Durchschnittstemperaturen und das trockenere Wetter erhöhten in Regionen wie dem Burgund, der Champagne, dem Barolo-Gebiet und Anbauregionen wie der Mosel die Frequenz der Spitzenjahrgänge. Auch allgemein zeigt sich durch die wärmeren Vegetationsperioden in diesen Gebieten ein potenzieller Qualitätssprung.
Neue Rebsorten betreten die Bühne
Eine mögliche Chance für den internationalen Weinbau ist auch die Tatsache, dass neue Rebsorten entstehen. Hybridsorten, zu denen auch die sogenannten PIWI-Reben zählen, erhalten im Rahmen der Züchtung und Kreuzung das Rüstzeug, den Nebeneffekten des Klimawandels besser trotzen zu können. Sie sind beispielsweise resistenter gegen Pilzerkrankungen nach milden Wintern, benötigen weniger Wasser oder kommen besser mit Frost zurecht.
Inwiefern sich diese Hybridsorten weltweit durchsetzen, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass sie vielen Winzern die Chance auf gleichbleibend hohe Qualität bieten. Zudem sind viele Hybridsorten allgemein umweltfreundlicher in der Pflege. Für die bereits erwähnten PIWI-Reben braucht es beispielsweise deutlich weniger Pflanzenschutz, was auch die Emissionen verringert.
Denn letztlich ist es auch an jedem Weingut, die eigenen Möglichkeiten im Kampf gegen den Wandel auszuschöpfen. Dank ihrer Liebe zu Natur und Wein tun Winzer dies jedoch aus voller Überzeugung.
Wein entdeckte sie während ihrer Ausbildung zur Restaurantfachfrau für sich. Danach bildete sie sich weiter und arbeitete auf Weingütern in Europa und Übersee. Im stationären Handel kaufte und verkaufte sie viele Jahre Wein, sie moderierte Seminare und beriet Kunden. Die Sommelière liebt Weine, die anregen, gegen den braven Geschmack bürsten und für Gesprächsstoff sorgen.