Flaschen bei der Befüllung im Weingut San Marzano

Winzerview mit dem italienischen Star-Winzer Mario Ercolino

Er ist weltweit berühmt und verhalf mehr als nur einem italienischen Weinprojekt zu anhaltendem Ruhm. Mario Ercolino, der inzwischen ein eigenes Gut in Süditalien führt, hinterließ seine Fußstapfen bei großen Häusern wie Nativ, San Marzano und Feudi di San Gregorio. Im Winzerview erzählt uns der Weinenthusiast, was ihn motiviert und wie er das Leben als Winzer wahrnimmt.

Hallo Mario! Auch wenn die meisten Genießer Sie bereits kennen dürften: möchten Sie sich unseren Lesern kurz vorstellen?

Hallo! Aber gern! Mein Name ist Mario Ercolino, ich arbeite bereits seit vielen Jahren als Winzer, Önologe sowie Berater und führe inzwischen auch mein eigenes Weingut. „Montedidio“ ist für mich ein besonderes Projekt, aber auch auf die bisherigen Stationen in meinem Leben blicke ich gern und mit Stolz zurück.

Wie kamen Sie zum Beruf des Winzers? Wussten Sie schon früh, dass dieser Weg für Sie bestimmt ist?

Ich beschloss, Winzer zu werden, als ich tatsächlich noch sehr jung war. Der Grund ist etwas kurios. Ich saß mit meinem Vater zusammen, der gerade einen – seiner Meinung nach – ausgezeichneten Wein trank und sich daran erfreute. Wir stritten uns, weil ich den Wein für ungenießbar hielt. An diesem Tag entschloss ich mich dazu, den Beruf des Winzers zu ergreifen und meinem Vater zu zeigen, wie guter Wein wirklich schmeckt.

Und hätte das mit dem Winzerberuf nicht funktioniert: was wären Sie dann geworden?

Wenn ich nicht Winzer geworden wäre, wäre ich gerne Stylist geworden. Ich liebe den Kult der Schönheit!

Was ist Ihre Philosophie beim Weinmachen?

Unsere Urgroßväter tranken Wein als Alltagsgetränk zum Mittag- und Abendessen. Heutzutage erleben wir jedoch gänzlich andere Trinkgewohnheiten. Die Menschen genießen gerne ein Glas Wein, und sei es nur zum Nachdenken. Ich betrachte Wein als ein sensorisches Erlebnis, das die Sinne ansprechen muss: das Auge (Farbe), die Nase und den Gaumen. Deshalb folge ich meiner eigenen Produktionsmethode. Diese bricht mit Tradition, um das Beste aus den Trauben herauszuholen, ohne dabei die organoleptische Struktur der Trauben zu verletzen.

Stehen Sie dabei besonderen Herausforderungen gegenüber?

Mein Ziel ist es, junge Menschen an die Weinkultur heranzuführen, damit sie lernen, was ein Wein zu vermitteln vermag. Das Ziel ist es, einen Weinkeller mit einem einzigartigen und unnachahmlichen Charakter zu schaffen, dessen Weine sowohl Laien als auch Experten ansprechen. Meine tägliche Herausforderung dabei ist es, dieses Ziel zu erreichen, indem ich eine immer bessere Qualität mit einer immer natürlicheren Weinproduktion anbiete.

Zwei Männer sitzen auf einem Traktor und Fahren zwischen den Weinbergen entlang

Welche Menschen haben Sie in Ihrer Vergangenheit geprägt?

Besonders inspiriert haben mich die Önologen der 80er bis 90er Jahre, vor allem Straffi und Mario Erba. Die önologische Aufbruchstimmung dieser Zeit war für mich eine besondere Inspiration. Hier vor allem der Sprung von traditionellen Techniken zu hochtechnologischen Innovationen. Der tiefgreifende Wandel in der Weinbranche packte und faszinierte auch mich.

Höhen und Tiefen begegnen uns allen: Wie ist das bei Ihnen?

Oh ja, auch ich habe entlang meiner Karriere sowohl Höhen als auch Tiefen erlebt. Eine schwierige Zeit begann, als meine Zeit bei Feudi Di San Gregorio endete. Ich begleitete das Gut zu weltweitem Erfolg, verabschiedete mich dann und fühlte mich plötzlich vollkommen orientierungslos. Ich fing wieder bei Null an, hatte viele Wege vor mir, und verstand noch nicht, welcher Schritt der beste ist.

Aber ich lernte damals auch viel: Das Unbekannte ist beängstigend, aber alles hängt von unserem Geist ab. Ein negativer Geist sieht die Veränderung als eine Schwierigkeit, ein positiver Geist sieht sie als eine Herausforderung! Und ich liebe Herausforderungen, das ist mein großes Glück! Also zog ich meine Socken hoch und arbeitete hart für mein Ziel.

Und haben Sie es erreicht?

Es ist stets ein Weg, aber jetzt blicke ich mit Stolz auf meine Meilensteine. Was mit Feudi di San Gregorio begann, setzte sich bei San Marzano und nun auch bei Nativ fort. Mit meinem Projekten Passamaro und La Prima Scelta erlebte ich schnell weltweiten Ruhm, den ich vor allem dem herausragenden Terroir verdanke.

Gibt es Ihr eigenes Weingut schon lange?

Obwohl meine Reise als Winzer vor mehr als dreißig Jahren mit der Gründung von Feudi di San Gregorio begann und ich später als externer Winzer für große Weingüter von Nord- bis Süditalien tätig war, beschloss ich erst 2011, mein eigenes Weingut zu gründen, um den Reichtum des süditalienischen Terroirs zu repräsentieren.

Erzählen Sie uns etwas über die Heimat Ihrer Weine und Ihre Philosophie im Weinberg?

Ich glaube wirklich, dass Süditalien ein unglaublich reiches Gebiet ist. Mit seiner großen Vielfalt, die zu oft unterschätzt wird, obwohl es viel zu bieten hat. Das mediterrane Klima der Region ist warm und niederschlagsarm, ein optimales Umfeld für den Anbau der trockenheitstoleranten Rebsorte Negroamaro.

Süditalien braucht Norditalien aus meiner Sicht nicht zu beneiden. Ich bin stolz und fühle mich geehrt, dass ich die Chance habe, meinen Wein hier zu produzieren. Im Weinberg folge ich traditionellen und modernen Techniken. Besonders wichtig ist mir hier auch nachhaltiger Weinbau. Daher haben wir beim Bau der neuen Kellerei innovative Systeme zur Nutzung von Solarenergie und Regenwasser eingeführt. Immer grüner zu werden ist mir ein besonderes Anliegen.

Gibt es in Ihren Weinbergen spezielle Rebsorten oder solche, die regional eine gewichtige Rolle spielen?

Primitivo und Negroamaro sind zwei hervorragende Rebsorten in Apulien. Beide sind reich an Polyphenolen, haben eine intensive und volle rote Farbe, sind strukturiert und alkoholisch. Einst nur als Verschnitt-Sorten bekannt und oft in andere Regionen verschifft, gewannen sie an Attraktivität, als die Kellereien zu einem selektiveren Weinbau übergingen, der nicht auf Massenproduktion, sondern auf Qualität setzt. Auch ich kultiviere diese beiden vielseitigen Sorten, die sich für verschiedenste Weine eignen: Rotwein, Rosé, Likörwein, Passito, was das Herz begehrt!

Rote Trauben werden in einer Hand gehalten

Haben Sie besondere Visionen für die Zukunft? Oder bereits geplante Projekte?

Kurz vor der Pandemie starteten wir den Bau unseres neuen Kellers. Er ist das Ergebnis jahrelanger, harter Arbeit. Die Pandemie hat uns vor viele Herausforderungen gestellt, aber haben es geschafft und das Gebäude im Oktober 2022 eingeweiht. Ich bin motiviert, hier eine genussvolle Zukunft zu gestalten und gespannt, wohin die Reise führt.

Gibt es Trends, die Sie besonders gerne mögen oder denen Sie vielleicht sogar selbst folgen?

Ich war einer der ersten Winzer, der mit den traditionellen Weinbereitungsmethoden brach, weil ich der Meinung war, dass Wein heute ein sensorisches Erlebnis ist. Aus diesem Grund begann ich schon vor vielen Jahren, die Kryomazeration in den ersten Tagen der Produktion einzusetzen. Das gefällt mir bis heute. Allgemein begeistere ich mich für Trends, die zeigen, dass sich auch in der so lange gewachsenen Weinkultur noch vieles ändern kann.

Was macht Sie so richtig wütend, wenn es um Wein geht?

Vorurteile! Ich kann Leute nicht ausstehen, die Vorurteile gegenüber Rebsorten und Weinen haben. Vor allem, wenn es um die weniger bekannten Sorten oder alte Jahrgänge geht. Dieses Denken verhindert ganz große Erlebnisse und bereichert unseren eigenen sensorischen Horizont.

Wenn Sie mal Freizeit haben, was tun Sie dann am liebsten?

Wenn ich in der Natur bin, fühle ich mich frei. Das Gefühl des Friedens, das ich empfinde, wenn ich im Grünen bin, kann ich nirgendwo anders finden. In meiner Freizeit gehe ich deshalb gerne an der frischen Luft spazieren und entspanne mich beim Lesen von Büchern. Am liebsten lese ich über Reisen, lokale Essgewohnheiten, Folklore und Wissenschaft.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit!

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