Unter den "jungen Wilden", die Ende der 1980er Jahre das mystische, von Mönchen und Klöstern geprägte, dennoch gottverlassen scheinende Priorat aus dem langen Schlaf weckten, war auch Álvaro Palacios. Álvaro entstammt der riojanischen Weinfamilie Palacios Remondo. Er lernte bei einigen der berühmtesten Weingüter der Welt wie zum Beispiel Chateau Petrus. Der Winzer erkannte das enorme Potenzial, das in den Böden und den bis zu hundert Jahre alten Garnacha- und Carineña- Reben steckte. Der Startschuss für sein neues Weingut und eine große Karriere. Wenige Jahre später erzeugt er mit seinem Finca Dofi einen der schönsten Weine Spaniens. Sein L´Ermita ist heute einer der gesuchtesten Kultweine der Welt. Er trug wesentlich zum neuen Image des Priorats bei.
Álvaro Palacios "Mann vor Ort" ist Joan Asens. Er kümmert sich im Dorf Gratallops um die Weinberge und den Keller: „Das mediterrane Klima beschert uns 3.500 Stunden Sonne im Jahr. Von den elf Weinbaudörfern im Priorat herrschen bei uns in Gratallops die besten Bedingungen für eine perfekte Traubenreife. Die jahresbedingten Schwankungen des Klimas gleichen die Lage und die Höhe der Weingärten optimal aus.“ 30 Hektar Weingärten bewirtschaftet er rein natürlich. Alte Weinberge pflegen Álvaro und Joan ehrfürchtig und behutsam. Neue modellieren sie dem Geländeverlauf entsprechend sanft.
Der Boden ist mager und steinig. Er enthält Llicorella-Schiefer, verwittertes Vulkangestein und Quarz. Darüber liegt nur eine dünne organische Schicht. Das zwingt die Wurzeln in die Tiefe. „Diese kraftvollen Böden bringen Weine mit sehr konzentrierter Frucht hervor: Pflaumen, Kirschen, Kräuter, Feigen, Nüsse“, schwärmt Joan. Der Camins del Priorat ist der superbe Einstiegswein und der einzige, in dem sich französische Traubenvarietäten finden. Im Les Terrasses „hast du das ganze Priorat im Glas.“ Die Trauben stammen aus verschiedenen guten Lagen der Region. Finca Dofí aus Trauben der gleichnamigen Einzellage ist ein modernerer Wein aus relativ jungen Rebstöcken. Dofí – in Spanien stets der jüngste einer Gruppe – ist eine Anspielung an die Stellung Álvaro Palacios unter den Winzern, die vor 20 Jahren ins Priorat kamen. Und schließlich L´Ermita, einer der Kultweine Spaniens: ein klassischer Grand Cru, dessen Trauben ausschließlich aus dem nur 2,5 Hektar großen Weinberg L´Ermita stammen. Hier stehen nur knapp 11.000 Rebstöcke, die zusammen jene etwa 2.500 Flaschen ergeben, nach denen alle Welt verlangt.
„Alles ist im Weingarten. Das Beste, das wir erreichen können, ist die Frucht und die Aromen im Wein zu konservieren.“ Álvaro Palacios spricht von Weingärten und Reben wie von lebendigen Wesen. Er nennt sie „spirituell, mythisch, kraftvoll, tiefgründig“, betont den „tiefen Respekt für den Weinberg, den Boden und die Rebe. Die Qualität des Weingartens ist wichtiger als alles andere, wichtiger als der Keller, wichtiger als der Winzer“, sagt er. Und seine Demut klingt überzeugend. Das internationale Weinmagazin Decanter zeichnete Álvaro Palacios mit dem Titel "Decanter Man of the Year 2015" aus.